Was ist Ableismus? Woher kommt der Begriff Ableismus?
03. Mai 2023Der Begriff "Ableismus" kommt aus dem Englischen und bezieht sich auf die Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen. Das Wort "ableism" setzt sich aus "able" (engl. für "fähig") und "ism" zusammen. Übrigens: Man spricht den Begriff Ableismus wie im Englischen aus, also Äi-be-lis-mus.
Der Begriff wurde in den 1980er Jahren von Aktivisten der Behindertenbewegung aus den USA geprägt, dem Disability Rights Movement. Ziel der Bewegung war es, auf die diskriminierende Behandlung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft aufmerksam zu machen.
Durch den Begriff Ableismus soll das Bewusstsein für die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen geschärft und eine inklusivere Gesellschaft angestrebt werden, in der Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt und ohne Vorurteile behandelt werden.
Der Begriff Ableismus hat bis heute keinen richtigen Einzug in die Alltagssprache gefunden und ist vielen unbekannt. Mit diesem Artikel wollen wir für das Thema sensibilisieren und aufklären.
Was bedeutet Ableismus?
Ableismus bezieht sich auf die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen oder eingeschränkten Fähigkeiten. Diese Diskriminierung kann sich auf verschiedene Arten manifestieren, von subtilen Vorurteilen bis hin zu offener Feindseligkeit und physischer Gewalt. In diesem Artikel werden wir die verschiedenen Arten von Ableismus erklären und Möglichkeiten aufzeigen, wie man aktiv gegen Ableismus vorgehen kann.
Denn die Auswirkungen von Ableismus sind sehr unterschiedlich. Menschen mit Behinderungen sind oft von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, sei es durch mangelnde Barrierefreiheit oder durch Vorurteile und Diskriminierung seitens anderer Menschen. Sie haben oft Schwierigkeiten, Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung zu erhalten.
Mit dem Thema Ableismus sollte sensibel umgegangen werden. Es beginnt mit einer Veränderung der Denkweise. Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Vorurteile erkennen und verstehen, dass Menschen mit Behinderungen genauso fähig und wertvoll sind wie alle anderen. Wir müssen auch sicherstellen, dass unsere Umgebungen barrierefrei sind und dass Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt am alltäglichen Leben teilhaben können.
Arten von Ableismus | So zeigt sich Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
Es gibt verschiedene Arten von Ableismus, wie beispielsweise Stereotypisierung, Ignoranz und die Verwendung von beleidigenden Begriffen. („Du bist doch behindert“).
Ein Beispiel für Ableismus ist die Annahme, dass Menschen mit Behinderungen immer eine besondere Behandlung oder Hilfe benötigen, um Dinge zu tun, die für andere Menschen selbstverständlich sind. Dies führt oft dazu, dass Menschen mit Behinderungen als "abhängig" oder "unfähig" angesehen werden, was zu einer weiteren Marginalisierung führt. Eine diskriminierende Handlung bedeutet demnach, dass eine Person aufgrund einer Behinderung eines Menschen automatisch auf seine körperlichen oder geistigen Fähigkeiten schließt. Und dass, ohne die Person zu kennen oder danach zu fragen.
Ableismus kann auf unterschiedliche Arten auftreten. Hier sind einige Beispiele:
- Stereotypisierung und Vorurteile: Eine der häufigsten Formen der Diskriminierung ist die Stereotypisierung und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen. Sie werden oft als abhängig, unproduktiv oder hilflos dargestellt.
- Barrierefreiheit: Viele Orte und Einrichtungen sind nicht barrierefrei gestaltet, was es für Menschen mit Behinderungen schwierig oder unmöglich macht, sie zu nutzen.
- Sprache: Ableistische Sprache kann subtil oder offensichtlich sein und beinhaltet oft abwertende Worte oder Bezeichnungen.
- Unsichtbarkeit: Menschen mit unsichtbaren Behinderungen oder chronischen Krankheiten werden oft nicht ernst genommen oder die Behinderung verharmlost. Menschen mit einer geistigen Behinderung zum Beispiel sieht man ihre Behinderung oftmals nicht an. Sobald die Behinderung zu Tage kommt, werden sie dennoch oft wie Menschen zweiter Klasse behandelt.
Wie kann man Ableismus erkennen?
Generell manifestiert sich Ableismus fast immer durch unterschiedliche Formen der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Dies kann sich in ganz alltäglichen Situationen, aber auch im beruflichen oder behördlichen Umfeld zeigen.
Man unterscheidet zwischen abwertendem und aufwertendem Ableismus. Zum besseren Verständnis dieser Begriffe folgen jetzt zwei Beispiele:
- Abwertender Ableismus: Eine Person im Rollstuhl möchte zu Stoßzeiten mit der U-Bahn fahren, um beispielsweise einkaufen zu gehen. Doch die Lücke zwischen Bahnsteig und Bahn ist zu groß, die Person benötigt Hilfe beim Überwinden der Barriere und bittet andere um Unterstützung. Ein anderer Fahrgast beschwert sich darüber, dass die Person im Rollstuhl dadurch alle aufhalte.
- Aufwertender Ableismus: Nachdem die Person im Rollstuhl in der U-Bahn ist kommt der andere Fahrgast und fragt die Person, ob sie nicht künftig zu anderen Uhrzeiten Erledigungen durchführen könne. Die Person im Rollstuhl antwortet, dass das nicht gehe, weil die Arbeit das verhindere. Darauf der andere Fahrgast: „Das ist aber bewundernswert, dass Sie trotz Ihrer Behinderung arbeiten gehen“.
Beide Beispiele zeigen, dass auf diese Art und Weise Menschen mit Behinderung diskriminiert werden, und dass oft, ohne dass es den Menschen selbst bewusst ist. Denn ihre Intension, sich wie in den beschriebenen Beispielen zu verhalten, hat sehr oft gar keinen bewusst böswilligen Grund. Ein Ansporn mehr, Menschen mehr für das Thema Ableismus/ Diskriminierung zu sensibilisieren. Denn es ist egal, mit welchen Absichten eine Person handelt. Entscheidend ist, wie es bei der betroffenen Person ankommt.
Wie kann man aktiv gegen Ableismus/ Diskriminierung vorgehen?
Hier spielen die Begriffe Selbstreflektion und Aufklärung eine zentrale Rolle. Folgende Punkte helfen dabei, sich detaillierter und intensiver mit der Thematik zu befassen:
- Barrierefreiheit und Zugänglichkeit: Man sollte versuchen sicherzustellen, dass alle öffentlichen Orte, Einrichtungen und Veranstaltungen barrierefrei zugänglich sind, sodass auch Menschen mit Behinderung normale Dinge wie alle anderen auch machen können. Sei es in ein Café gehen, zum Bäcker oder zur Bank.
- Sensibilisierung und Bildung: Es ist wichtig, sich selbst über Ableismus und seine Auswirkungen zu informieren. Man kann auch andere Menschen aufklären und ihnen helfen, ein Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln.
- Begegnung: Sich generell aktiv mit Menschen mit Behinderung austauschen, zum Beispiel, in dem man in ein inklusives Café geht, sich im Ehrenamt engagiert und vieles mehr.
- Empathie und Mitgefühl: Es ist wichtig, Menschen mit Behinderungen mit Empathie und Mitgefühl zu begegnen, anstatt Vorurteile oder Annahmen zu haben. Man sollte versuchen, ihre Perspektiven und Erfahrungen zu verstehen und sich bewusst zu sein, wie bestimmte Worte oder Handlungen sich auf sie auswirken können.
Das können Sie tun, wenn Sie von Ableismus betroffen sind
Interview/ Erfahrungsbericht mit unserem Vorsitzenden Peter Benzenhöfer
Landesverband Baden-Württemberg der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung e.V:
Ist Ihnen im Alltag schon mal Ableismus begegnet?
Peter Benzenhöfer:
Ja, das passiert leider oft. Vor allem als Kind bin ich wegen meiner Behinderung oft diskriminiert worden. Ganz allgemein ist einfach auffällig, dass die Leute, wenn man im Rollstuhl sitzt, einen einfach anders anschauen und sich dabei wahrscheinlich denken: ‚Der ist anders, der ist krank‘.
Ich erinnere mich besonders an eine Geschichte, als ich im Teenager-Alter war. Meine Mutter war auf der Bank und ich habe draußen gewartet. Dann kam eine andere Mutter mit ihrem Kind raus und das Kind hat seine Mutter dann gefragt: ‚Warum sitzt der Junge im Rollstuhl?‘ Das Mädchen hat mich auch direkt angesprochen und gefragt, was ich habe. Die Mutter hat ihre Tochter dann an der Hand genommen und sagte nur, der ist krank und dann sind beide einfach an mir vorbeigelaufen. Ich persönlich hätte kein Problem damit gehabt, mit dem Mädchen zu sprechen und ihr einfach zu erklären, warum ich im Rollstuhl sitze.
Ist es vielleicht einfach generell ein Problem, dass immer nur über Menschen mit Behinderung, aber nicht mit ihnen gesprochen wird?
Absolut. Ich meine ich bin ein gestandener Mann mit 54 Jahren und es passiert mir immer noch, dass eher meine Begleitung gefragt wird, ob dies und jenes auch wirklich so stimmt, als ich selbst. Die Menschen machen das oft nicht mit bösem Willen. Das ist mir klar. Aber man kann auch einfach mich direkt fragen. Ich kann auch für mich selbst entscheiden und brauche dabei keine Hilfe.
Natürlich gibt es auch Menschen mit Behinderung, die eine Assistenz brauchen. Das ist mir auch klar. Aber deswegen meine ich auch: Nicht alle über einen Kamm scheren. Einfach mit uns sprechen. Und dann erst entscheiden. Nicht über unsere Köpfe hinweg.
Ändert sich die Wahrnehmung der Menschen, wenn man als Mensch mit Behinderung eine bestimmte berufliche Position innehat?
Ich sag mal so. Als Privatmensch Peter habe ich definitiv öfter mit irgendeiner Form von Diskriminierung zu tun wie als Vorsitzender des Landesverbandes. Im Behindertenbereich arbeiten wir auf Augenhöhe und meine Tätigkeit und Arbeit wird auch nicht so hinterfragt, wie wenn ich im Alltag mit Menschen zu tun habe. Das ist zum einen natürlich eine schöne Sache im Behindertenbereich. Ich würde mir aber wünschen, dass diese Augenhöhe auch in meinem Alltag mehr Einzug finden würde. Denn als Mensch im Rollstuhl nicht als „vollwertig“ angesehen zu werden ist auch eine Form von Ableismus. Schließlich sind wir doch alle nur Menschen.
Was wollen Sie als Vorsitzender des Landesverbandes tun, um gegen Ableismus vorzugehen?
Ich würde mir einfach wünschen, dass die Leute sich mehr Zeit nehmen würden, um sich mit uns Menschen mit Behinderung auseinanderzusetzen. Man muss den Menschen zuhören um zu wissen, was er braucht und wie es ihm geht. Dafür will ich mich als Vorsitzender einsetzen. Nehmt euch mehr Zeit! Urteilt nicht vorschnell! Und wenn sich ein Mensch mit Behinderung nicht selbst artikulieren kann, stellt dem Menschen eine Assistenz zur Seite, die dann im Sinne des Menschen mit Behinderung handelt. Ich würde mir wünschen, dass man einfach als Mensch wahrgenommen wird und nicht als Mensch mit Behinderung. Wir müssen weg vom Schubladen-Denken.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das sehr informative Gespräch!
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