Was Leichte Sprache bedeutet und warum sie wichtig für Inklusion und Barrierefreiheit ist
24. Okt 2022Leichte Sprache – ein Thema, bei dem es leider noch oft zu Missverständnissen kommt. Das zeigt vor allem die Tatsache, dass selbst Journalist*innen oder Redakteur*innen, deren tägliches Handwerkzeug die Sprache ist, nicht genau wissen, worum es beim Thema Leichte Sprache geht. Und was haben die Begriffe Inklusion und Barrierefreiheit mit Leichte Sprache zu tun?
Wir finden, es ist höchste Zeit, Klarheit zu schaffen.
Leichte Sprache – Worum es geht und warum sie bei Barrierefreiheit hilft
Deutschland. Das Land der Dichter und Denker. Je prunkvoller, pathetisch, poetisch oder komplizierter ein Satz ist, desto eher wird man der deutschen Sprache gerecht. Eine Ansicht, die vielleicht Akademiker*innen, Schriftsteller*innen oder eben Wordakrobaten vertreten. Aber nicht alle Menschen, die hier in Deutschland leben, haben diesen Anspruch. Denn es gibt auch Menschen, die können Texte und deren Inhalt nur in Leichter Sprache erfassen. Komplizierte Texte oder Texte in Alltagssprache überfordern sie und grenzen die Möglichkeit der Inklusion in die Gesellschaft für sie ein. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Zitate aus der Presse zur Leichten Sprache wie:
„(…) Nachrichten im Kinderbuch-Stil (…)“
„(…) schmutzig-unkorrekte Sprache (…)“
„(…) dümmlichem Deutsch (…)“ oder
„(…) ästhetikfeindlichen Eingriffen (…)“
zeigen, dass es immer noch zu jeder Menge Missverständnissen kommt, wenn es um Leichte Sprache geht. Wir klären auf, was es damit wirklich auf sich hat.
Definition leichte Sprache – und für wen Leichte Sprache gedacht ist
Leichte Sprache, das ist wie der Begriff schon sagt, eine vereinfachte Form der deutschen Sprache. Konkret heißt das, dass die Sprache weniger kompliziert und komplex ist. Man kann in Leichter Sprache Sprechen oder Schreiben. Leichte Sprache ist sozusagen ein Instrument für mehr Barrierefreiheit, denn durch sie kommen auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen/Behinderungen an Informationen.
Wo wir schon beim Thema wären - Für wen ist Leichte Sprache denn gedacht?
Zielgruppen für Leichte Sprache
Wenn es um Leichte Sprache geht, geht es auch immer um Inklusion. Inklusion, weil auch Menschen mit Lernschwierigkeiten einen Text verstehen können sollen. Und natürlich soll Leichte Sprache auch Menschen mit geistiger Behinderung dazu verhelfen, Texte lesen zu können und den Inhalt zu erfassen. Schließlich wollen auch Menschen mit Beeinträchtigungen sich mitteilen und kommunizieren. Sie wollen Inklusion. Zur Zielgruppe gehören aber auch Menschen mit funktionalem Analphabetismus. Das heißt Menschen, deren Fähigkeiten im Schreiben nicht denen ihres Alters entsprechen. Oder Nicht-Muttersprachler*innen, die Deutsch gerade noch lernen.
Regeln für Leichte Sprache
Texte in Leichter Sprache zu schreiben ist gar nicht so leicht, wie man das vielleicht denken mag. Folgende Aspekte sollten eingehalten werden:
- Kurze Sätze
- Viele Absätze
- Fachwörter und Fremdwörter vermeiden oder erklären
- Schwere Wörter erklären
- Keine Abkürzungen
- Keine Synonyme, immer das gleiche Wort verwenden
- Keine Redewendungen und Metaphern
- Lange Wörter trennen
- Ziffern nicht ausschreiben (35 nicht fünfunddreißig)
- Große und gut lesbare Schrift verwenden
- Nur eine Information pro Satz
- Vorrangig Hauptsätze, wenig Nebensätze verwenden
- Mit Bildern arbeiten, die den Text und dessen Inhalt darstellen
Original:
„Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf einer Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zur Ausweitung der Schutzklausel bei der Rentenanpassung beschlossen.“
Version in Leichter Sprache:
„Die Bundes·regierung hat heute beraten.
Über einen Vorschlag:
Es soll ein neues Gesetz geben.
Es soll die Höhe der Rente schützen.
Die Bundes·regierung findet den Vorschlag gut.“
So werden Texte in Leichte Sprache übersetzt
Wer beurteilt denn eigentlich, ob ein Text in Leichter Sprache auch wirklich einfach zu verstehen ist? Ganz einfach: Die Zielgruppe dieser Texte selbst. Mittlerweile gibt es in ganz Deutschland Einrichtungen/ Büros für Leichte Sprache. Dort werden die Texte zum Beispiel von Menschen mit Behinderung gelesen und bewertet. Erst wenn zwei Personen zum Beispiel mit einer geistigen Behinderung diesen Text geprüft haben, wird er veröffentlicht/ herausgegeben. Ist der Text nicht verständlich, werden entsprechende Änderungen vorgenommen. Bevor die Prüfer*innen ans Werk gehen, müssen sie eine Fortbildung absolvieren und Texte verschiedener Auftraggeber übersetzen.
Die Übertragung in Leichte Sprache ist nicht mit einer Übersetzung gleich zu stellen. Um Texte in Leichte Sprache zu ändern, werden zunächst die Hauptaussagen erfasst und anschließend zusammengefasst. Das zieht meistens nach sich, dass nicht alle Inhalte 1:1 wiedergegeben werden können. Sonst würden Texte in Leichter Sprache sehr lang werden. Am Ende bleibt das Wesentliche stehen.
Büros für Leichte Sprachen wie das der Lebenshilfe Bremen sind eine super Arbeitsstelle für Menschen mit Beeinträchtigung. Hier werden sie gefördert und können ihren Teil zu mehr Barrierefreiheit und Inklusion beitragen.
Auch der Landesverband Lebenshilfe Baden-Württemberg hat ein Büro für Leichte Sprache. Sie brauchen einen Text in Leichter Sprache übersetzt? Dann nehmen hier Kontakt zu uns auf.
Büro für Leichte Sprache
In diesen Bereichen sollte Leichte Sprache verwendet werden
In Einrichtungen des Bundes sind Texte in Leichter Sprache seit 2011 sogar gesetzlich vorgeschrieben. Dies wurde in der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik festgehalten. Das heißt Behörden und Verwaltungen wie zum Beispiel das Arbeitsamt müssen ihre Texte auch in Leichter Sprache zur Verfügung stellen. Da gilt nicht nur für Flyer oder Broschüren vor Ort, sondern auch für deren Webseiten im Internet.
Grundsätzlich ist das Angebot aber leider noch immer überschaubar. Auch Menschen mit Beeinträchtigungen haben Interessen wie das Leben von Promis, Sport, Musik und vieles mehr. Leider gibt es in vielen Bereichen noch immer zu wenig Angebote, bei denen sich Menschen mit Behinderung in Leichter Sprache informieren können. Ein paar nützliche Links zum Thema Nachrichten in Leichter Sprache finden Sie weiter unten.
FAQ – Leichte Sprache
Leichte Sprache, das erklärt der Begriff an sich, bedeutet, dass ein Sachverhalt, eine Aussage oder eine Information so unkompliziert wie möglich geschrieben oder gesprochen werden soll.
Leichte Sprache ist für Menschen mit Lernbehinderung, Menschen mit geistiger Behinderung, aber auch für Ältere Menschen, Nicht-Muttersprachler und viele Menschen mehr.
In Leichter Sprache sind die Sätze kürzer, es werden keine Fremdwörter verwendet oder lange Zahlen geschrieben. Jeder Satz enthält nur eine Information. Der Text ist übersichtlich strukturiert und lange Wörter werden getrennt.
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